Verzicht üben
In Lilies Diary, einem Weblog einer jungen Dame aus Berlin las ich neulich, dass es wohl richtig sei, sich mehr „in Verzicht zu üben“ oder aber wenigstens den Konsum zu hinterfragen. Nun, das sind weise Worte von einer Dame, die vor einige Zeit noch arg kritisch über Julia Engelmann und ihre „blöden Phrasen“ hergezogen ist. Nun schreibt sie selbst einen Text, der vor Stammtischweisheiten nur so strotzt und leider kein bisschen so frisch und schwungvoll ist, wie das Gedicht von Julia Engelmann.
Nachtrag – 05.07.14: aufmerksame Leser meines Beitrages haben mich auf einen Fehler hingewiesen, und zwar darauf, dass ich den falschen Autor hier kritisiere. Den Text schrieb nicht Frau Nederer, sondern Michael André Ankermüller. Dies ändern allerdings nicht meine folgenden Ausführungen zum Thema und meine geäußerte Meinung.
Freilich, Verzicht üben, Konsum überdenken. Seit unzähligen Jahren bekommen wir solch nette Hinweise, alle unter der Überschrift „lieber ein gutes Gespräch führen“, wobei leider wirklich niemand weiß, was ein gutes Gespräch denn nun ist. Ich wage zu behaupten, dass dies jeder für sich selbst entscheiden soll und damit basta, es ist alles gesagt, was es über gute Gespräche zu sagen gibt.
In der Tat gibt es einen klugen Satz in dem Text, der besagt, dass man zum Verzichten zunächst Besitzen muss. Der aus der herrschenden Lebenssituation bedingter Verzicht ist nämlich nicht gut, im Gegenteil, der macht einen genau so krank wie „Drecksgeld“. Drecksgeld ist, nach Meinung eines Kommentators des Blogs jenes Geld, welches nicht für die notwendigen Dinge wie Essen und Trinken und Wohnen benötigt hat, welches also übrig ist. Soso, Drecksgeld also. Ich bin froh, dass Frau Nederer dass nicht kommentiert hat, und so gehe ich auch davon aus, dass sie die Meinung dieses Kommentators nicht vertritt, denn so etwas unheimlich dummes habe ich schon ewig nicht mehr gehört.
Grund genug für daher die Sache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ich möchte Besitz per se nicht als etwas böses abstempeln, im Gegenteil, ich denke dass Besitz eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft ist. Aber dazu später mehr. Zunächst möchte ich die These wagen, dass es überhaupt kein Drecksgeld gibt, und Geld auch niemals übrig ist. Denn wenn wir eines aus dem Kapitalismus wissen, dann doch das eben jenes Geld was ich noch habe, jemanden anderem fehlt. Und genau da denke ich sollten unsere Gedanken kreisen und uns bewusst machen, dass mit dem Geld und Besitz den wir haben, wir unglaublich viel Gutes tun können. Vielleicht ist es ja genau das, was Frau Nederer meint, wenn sie sagt, dass sie Ihre überschüssigen Bekleidungsteile denen geben will, die mehr davon haben. Wieso jemanden etwas geben, wovon er schon genug hat? Nein, es soll wahrscheinlich so gemeint sein, wie es der erste Satz des Textes bereits anklingen lässt – „Weniger ist mehr“ – und daher muss man hier die Wörter tauschen, sodass es also heißen muss, dass die Kleidung an die geht, die weniger davon haben, und denen dieses also mehr Nutzen bringt. Nun denn, vielleicht war die junge Dame ja in Eile, und hat daher nicht noch einmal durchlesen können, was sie da „zu Papier“ gebracht hat, so etwas ist zu entschuldigen. Unentschuldbar hingehen ist der Hinweis auf eine Studie, die dann nicht mit einer Quelle, oder wenigstens einer Herkunft gekennzeichnet wird. Und diese soll besagen, dass Menschen die mehr als 50.000 EUR jährlich verdienen, unglücklicher sind als diejenigen, die weniger verdienen. Eine Google Suche meinerseits förderte lediglich eine Studie der Princeton University zu Tage, die allerdings etwas anderes sagt:
Mit steigendem Einkommen empfinden Menschen ihr Leben als besser, sind zufriedener und glücklicher. Doch nur bis zu einem gewissen Grad. Jenseits der 50.000 Euro Grenze steigert sich das Glücksgefühl nicht mehr. Fällt das Gehalt jedoch unter diese Grenze, nimmt das Glücksgefühl aprupt ab und die Traurigkeit oder Unzufriedenheit steigt. Scheidung, Krankheit oder andere schmerzhafte Erfahrungen empfinden ärmere Menschen schlimmer, als wohlhabendere.
Quelle: Anti Aging Aktuell
Den Unterschied erkennt sicherlich jeder sofort und daher erspare ich mir auch die Erläuterungen. Und es deckt sich auch so viel mehr mit meiner eigenen Lebenserfahrung. Selten hörte ich Menschen darüber klagen, dass sie leider eine Gehaltserhöhung erhalten haben, nach welcher sie nicht mehr 49.000 EUR jährlich, sondern wahnsinnige 55.000 EUR jährlich erhalten. Noch seltener hört man Menschen wie Bill Gates jammern, dass die Last des Geldes ihn erdrückt. Im Gegenteil, Bill Gates hört man eigentlich niemals jammern. Er nutzt sein „Drecksgeld“ im übrigen dazu, Schulen in Afrika und anderen schwach ausgebauten Regionen der Welt zu bauen. Stiftungen zu gründen um Krankheiten zu heilen oder aber Betroffene angemessen zu unterstützen. Und genau dass ist es, was unser handeln bestimmen sollte. Wenn wir die Möglichkeiten haben, anderen zu helfen, die es selbst nicht so gut können, dann sollten wir womöglich genau das tun.
Ich lese die Seite von Christine regelmäßig, weil sie im Grunde oft Dinge sagt, die ich auch ohne viel Alkoholkonsum unterschreiben würde. Doch dieses Thema ist zu komlex, als dass es sich in einem kleinen Text abhandeln ließe. Und wirklich ärgert mich, dass die Dinge immer also so absolut dargestellt werden. Dies ist so und jenes ist so. Nein, das ist es eben nicht. Das Thema Glück beschäftigt die Menschen seit Jahren und es ist richtig, jederzeit Denkanstöße zu geben, wenn man der Meinung ist, einen guten Weg zum Glück entdeckt zu haben. Aber Verzicht als etwas besseres und wohltuenderes als Besitz darzustellen, diejenigen verächtlich erwähnen, die eben gerne Porsche fahren und feine Marmorplatten auf ihre Kommoden legen, das ist nicht richtig.
Besitz ist der Motor einer Gesellschaft. Nur aufgrund von Besitz, dem Streben nach mehr und besserem verdanken wir unseren gesamten Fortschritt. Wenn alle Menschen mit dem zufrieden wären, was sie hätten, würden wir heute noch in einer kalten Höhle leben und glücklich sein. Für manch einen reicht ein gebrauchtes Mobiltelefon von Nokia aus den 90ern aus, andere sind jeden Tag glücklich dass sie zwei Smartphones besitzen. Mit dem einen zeichnen sie ihre sportlichen Aktivitäten auf und bleiben mit Freunden auf der ganzen Welt in Kontakt, mit dem anderen speichern und verwalten sie ihre dienstlichen Dokumente und Termine. Ist es nicht herrlich privates und berufliches von einander zu trennen?
Es ist also gar nicht möglich, unnötigen Besitz zu definieren. Dies kann nur der Einzelne für sich selber tun. Ein Text, der etwas anderes suggeriert ist nicht überlegt und irreführend.