Das Versagen der Polizei – Ein Kommentar
Wie ein Kommentator die Tatsachen verdreht und dem Leser offenbart, dass er von Demokratie und Verfassung keine Ahnung hat
Ein Kommentar zum Kommentar
Dieser Tage wurde ich auf einen Beitrag in der Onlineausgabe der TAZ aufmerksam gemacht, welcher „Das Versagen der Polizei“ als Hauptüberschrift trägt. Fette Buchstaben sollen hier den Leser neugierig machen, auf die starre Privatmeinung des Autors, der von dem Thema welches er besprechen möchte, leider keine Ahnung hat. Reine Verbitterung war es womöglich, welche den Autor zu den Zeilen trieb. Der Wunsch nach Aufklärung ist es übrigens, der mich angetrieben hat, das Kommentar zu kommentieren, was ich im Folgenden nun auch tun möchte.
Das Fazit nehme ich einmal vorweg: Es ist schade, dass der Autor eine Möglichkeit verpasst hat, wichtige und richtige Dinge anzusprechen und die Leute für die Gefahren von „Rechts“ sensibel zu machen. Stattdessen versucht er, die Polizei für all das verantwortlich zu machen, was seiner Meinung nach „schief läuft“ in diesem Land. Um dies zu erreichen, muss er die Realität verbiegen und eine andere Rechtslage herbeischreiben, was er auch tut, und dadurch seinen ganzen Kommentar unbrauchbar macht. Schade, hier ist einiges versäumt worden.
Bereits im zweiten Absatz legt er los und beschwert sich darüber, dass die Ortswahl für die Demonstration eine Provokation sei. Nun ist es aber fast allen Versammlungen immanent, dass sie provozieren wollen. Wieso sollten sich die Leute sonst Versammeln? Es geht um Meinungsmache und Provokation. Dies sichert unsere Verfassung zu, und das Bundesverfassungsgericht hat es in etlichen Urteilen bestätigt. Wenn Studenten gegen Studiengebühren auf die Straße ziehen, wollen sie provozieren. Dafür denken sie sich lustige Sprüche aus, malen Plakate, verkleiden sich als Sparschweine und was ihnen sonst in den Sinn kommt.
Die Versammlungsfreiheit genießt einen sehr hohen Status in diesem Land und daher wird versucht, auf jede Versammlung so gut es geht einzugehen. Aufzugswege werden möglich gemacht, Straßen werden gesperrt, Verkehr wird umgeleitet und einiges mehr. Viele Bürger müssen für wenige Bürger Umstände in Kauf nehmen, doch so will es die Verfassung und genau das ist auch das Besondere an diesem Versammlungsrecht. Jede Meinung zählt. Auch die von Minderheiten. Der Autor will dies in diesem Fall nicht wahr haben, und spricht von einem „Deal“ mit der Polizei. Dies ist natürlich völliger Unsinn, denn wie hätte der Wunsch des Versammlungsleiters eben genau diesen Weg einzuschlagen oder eben genau diesen Platz zu wählen verhindert werden können? Immer wieder versuchen Polizeipräsidenten unliebsame Versammlungen zu verbieten, sagen sie hätten nicht genug Personal die Versammlung zu schützen, oder ähnliche Begründungen. Doch noch jedes Mal hat das Verfassungsgericht den dann klagenden Versammlungsleitern Recht gegeben und die Versammlung genehmigt. Zu Recht, denn wer für Fußballspiele Hundertschaften zusammen karren kann und muss, der kann das bitte auch für die Meinungsfreiheit tun, natürlich auch am Wochenende und an Feiertagen.
Und genau aus diesem Grund kann eine Versammlung auch nicht „in ein abgelegenes Industriegebiet entsorgt“ werden, so wie es der Autor für richtig hält. Denn eine Versammlung muss die Chance bekommen, wahrgenommen zu werden. Interessant wäre die Meinung des Autors dann, wenn in anderer Sache den Atomgegner in Gorleben das Demonstrieren an der Strecke verboten werden würde. Wieso in München demonstrieren, wenn der Castor in Gorleben rollt? Hier ist es natürlich völlig in Ordnung, wenn jeder wie er mag durch die Gegend zieht und letztendlich auch einige wenige den Verkehr stören oder behindern. Doch nur, weil sich eine Mehrheit für eine Sache findet, sollte man nicht das geltende Recht verbiegen, denn sonst gibt es keine Rechtssicherheit mehr und keinen freiheitlich demokratischen Staat. Und egal wie schändlich und moralisch verwerflich die Meinungen der 250 bis 300 Teilnehmer der „Rechtendemo“ sind, so legitim ist die Zulassung ihrer Äußerung. Werden dadurch Straftatbestände erfüllt, werden Strafanzeigen geschrieben und die Betroffenen werden von der Versammlung ausgeschlossen. Anders lässt es unsere Verfassung eben nicht zu, und genau die hieraus resultierenden Rechte werden von der Polizei geschützt.
Man kann sich gerne gerne die Situation vorstellen, wie es wäre, wenn die Polizei wegsieht, wenn 250 Versammlungsteilnehmern von 5000 Gegendemonstranten überrannt werden. Ist es das, was sich der Autor heimlich wünscht? Es sieht fast so aus, denn der Autor beschwert sich an mehreren Stellen, dass die Polizei die rassistische Kundgebung geschützt hätte, statt des friedlichen Protest. Weiterhin ärgert er sich, dass die Polizei Wasserwerfer und Räumfahrzeuge eingesetzt hat, doch was wären die Alternativen gewesen? Die Versammlung war rechtskräftig angemeldet und wenn jemand den Aufzugsweg blockiert oder sonst wie stört, dann wird diese Störung eben beseitigt. So wie geparkte Pkw abgeschleppt werden, wenn der Lautsprecherwagen der Studiengebührengegner sonst den Weg nicht nutzen könnte.
Vom Hörensagen weiß der Autor dann noch zu berichten, wie es einer Bundestagsabgeordneten ergangen sein soll, welche in Polizeigewahrsam gebracht worden wäre. Der Ruf nach mehr Respekt gegenüber Bundestagsabgeordneten lässt die Frage aufkommen, in welchem Zusammenhang dies gemeint sei? Sollten nicht alle Teilnehmer mit gleichem Respekt behandelt werden? Sind Bundestagsabgeordnete respektvoller zu behandeln als zum Beispiel Kassierer bei einer Supermarktkette? Wieso ist die Tätigkeit von Betroffenen hier so wichtig? Diese Fragen kann sicherlich nur der Autor beantworten – ob er es jemals tun wird, bleibt jedoch ungewiss.
Der Autor zeigt mit diesem Kommentar nicht nur sein völliges Desinteresse an der Komplexität des Lebens und der Gesellschaft, sondern auch dass ihm jedes Mittel recht ist, seine eigene Meinung durchzusetzen und dies natürlich auf Kosten anderer. Er ignoriert bestehende Gesetze und Normen, die für alle Menschen in diesem Land bindend sind. Dabei wäre es ein leichtes gewesen, sich zu informieren, Sachverhalte nachzuschlagen, Urteile zu lesen und mit Betroffenen aller Seiten zu sprechen. Wollen wir hoffen, dass es sich hier nur um einen Kommentator, und keinen Journalisten handelt.
Interessant sind jedoch die Kommentare der Leser, die in weiten Teilen Distanz zum Autor aufnehmen, und ebenfalls völlig unverständlich mit dem Kopf schütteln, über das, was sie da gerade gelesen haben. Schade also, dass mein Text daher eigentlich überflüssig ist, denn die Leser sind bereits mit Wissen und Menschenverstand ausgerüstet. Veröffentlicht habe ich ihn trotzdem…
Weiterführende Links:
Das Versagen der Polizei – der Kommentar aus taz.de von Andreas Wyputta