Einspruch: Spekulation
Streng nach der Ansicht „Erst kommt das Lob, und dann der Tadel“ möchte ich die folgenden Zeilen aufbauen. Ob das eine gute Wahl ist, sollen andere beurteilen.
Zunächst darf festgestellt werden, dass ich ein stiller Befürworter von Herrn Udo Vetter bin.
Richtig, dass ist dieser Rechtsanwalt, mit eigener Website, einem schicken Google+ Profil und seit einiger Zeit auch einem Grimme Online Award. Bereits seit einigen Jahren lese ich hin und wieder auf seiner Website das Neueste aus dem vielschichtigen deutschen Recht. Herr Vetter berichtet teils von eigenen Erfahrungen und Erlebnissen rund um seinen Beruf, teilweise linkt er aber auch auf aktuelle Urteile zu den verschiedensten Bereichen. An sich also eine gute Mischung, sollte man meinen. Dennoch habe ich in letzter Zeit den Eindruck gewonnen, Herr Vetter ist nicht nur ein leiser Gegner der Deutschen Polizei, sondern unterstellt dieser auch laut und für jeden leserlich eine stetige Arroganz, Überheblichkeit, Dummheit und Brutalität.
Aufgefallen ist mir dies, als ich die letzten Texte auf seiner Website gelesen habe. Dort ist z.B. in einem Fall die Rede vom willkürlichen Opfer, seinem Mandaten. Dieser, dies gibt Vetter zu Beginn kurz an, sei sicher kein Unschuldslamm, aber dennoch hier Opfer einer riesigen, unfassbaren Schweinerei geworden. Im vorliegenden Fall ging es um eine Blutprobe, die dem Mandanten abgenommen werden sollte, worauf dieser sich mit Händen und Füssen, also Schlägen und Tritten gegen die Eingesetzten Beamten wehrte. Herr Vetter schreibt zunächst, dass die Unrechtmäßigkeit der Maßnahme den Beamten egal sei. Woher er das weiß, weiß niemand sonst. „Sie riefen lediglich die Staatsanwaltschaft an“ lässt er verlauten, dass dies ein übliches Prozedere ist verschweigt er leider. Später unterstellt er den Beamten, bei „passender Gelegenheit den Durchmarsch auf rustikale Art“, ohne jemals mit den eingesetzten Beamten gesprochen zu haben.
Dass der geschilderte Sachverhalt eine unrechtmäßige Handlung der Beamten beinhaltet, ist eigentlich nicht streitbar, und völlig richtig. Doch anstatt, dies lediglich festzustellen und zu informieren, beflügeln die dauernden Spitzen natürlich die Kommentatoren.
In einem anderen Beitrag ging es um einen Mandanten, den mal des Aufnehmen oder Benutzen eines Mobiltelefons während der Fahrt vorwarf. Auch hier kann Herr Vetter es sich nicht verkneifen, festzuhalten, dass die Beamten den Sachverhalt „stolz“ verkündeten, obwohl dieser zu Papier gebracht vorlag und wenig Einsicht in Gemütszustände gab. Auch erfreut er sich darüber, dass die Einlassung seines Mandanten vor Ort ebenfalls in der Anzeige auftauchte, was in den Augen von Herr Vetter scheinbar eine Seltenheit, in der Wirklichkeit aber grundsätzlich immer der Fall ist. Am Ende dann bemerkt er noch, dass das Urteil des Richters, die gezielte Überwachung nicht als per se Maßnahme zu begreifen, ein richtiges Signal sei, dessen Verständnis bei der Polizei allerding mehr als „fraglich“ ist. Wieso eigentlich. Sind Polizeibeamte nicht in der Lage, Dinge zu begreifen?
Einem weiteren Beitrag zur Folge suchen sich Polizeibeamten immer einen aus, der „klaglos kuscht“. Und auch hier werden nicht das bloße Handeln von Beamten, sondern immer noch der Hintergründe, Gedanken und Meinungen dem Leser aufgetischt. Doch dies kann nur reine Spekulation sein, oder nicht?
Warum mich diese Sache so ärgert, könnte man, ja sollte man auch fragen, denn sonst würde ich hier keine Antwort mehr liefern. Dies tue ich aber gerne und daher folgt diese auch auf dem so genannten Fuße.
Da ich eigentlich immer auch die Kommentare zu den Beiträgen des Herr Vetter lese, fällt mir auf, dass die Leser die auch etwas kommentieren, zu einem hohen zweistelligen Prozentsatz zu rechtlich unaufgeklärten Personen gehören. Diese Kommentatoren haben oft noch nicht einmal so genanntes „gefährliches Halbwissen“, sondern sind gänzlich abgeschnitten von logischen Überlegungen und beurteilen Sachverhalte, die sie aus dem U-Boot gesehen haben.
Und genau darin sehe ich die Gefahr: Leute lesen nicht nur Sachverhalte, die mit Ausnahme der ständigen Negativbetrachtung von Polizei, reale Geschehnisse und somit Bestandteil unseres täglichen Lebens sind. Sondern finden eine Plattform vor, auf der sie hemmungs- und ahnungslos kommentieren und Halbwahrheiten präsentieren und bestätigen dürfen.
Ohne rechtliche Aufklärung vom Experten führt dies am Ende womöglich aber dazu, dass in jeder beliebigen Einsatzsituation der Bürger sich ungerecht, ja geradezu menschenverachtend behandelt fühlt. Sein großes Misstrauen in die Justiz bringt ihn dann dazu, selbst zu Handeln und Maßnahmen von Beamten, seien diese von Polizei, oder Ordnungsamt oder Finanzamt, anzuzweifeln und sich gewaltsam vor Ort zu Wehr zu setzen. Die Aussage ist nicht: Fehler passieren überall – sondern: Fehler passieren immer bei der Polizei, denn die ist dumm und rücksichtslos.
Hat Flattr Auswirkungen auf den Schreibstil des Urhebers?
Der Eindruck, dass die Leser von Herrn Vetter meist mehr an Sensation und dem Beschimpfen von Ordnungshütern, als an rechtlicher Problematik und spannenden Entscheidungen interessiert sind, spiegelt sich auch in den Flattr Statistiken wieder.
Während Urteile über Ladenschlusszeiten von Automaten-Filmverleihstationen oder die Absetzbarkeit von Ausbildungskosten lediglich 9 bzw. 7 Flattr-Klicks brachten, sind Texte über Polizeigewalt und –willkür stets mit bis zu 30 Flattr-Klicks bewertet und belohnt.
Der letzte, von mir eben aufgeführte Umstand könnte erklären, wieso Herr Vetter, den ich für einem aufgeklärten und klugen Mann halte, so schreibt, wie er schreibt. Er möchte womöglich einfach die Leserschaft begeistern und befriedigen. Wichtige und sachliche Infos für Interessierte, Erniedrigungs- und Vorverurteilungsstoff für die Sensationsgeilen. Schon die römischen Herrscher wussten um das Prinzip der Massenbefriedigung und lieferten die Spiele. Bleibt abzuwarten, ob dies nur eine flüchtige, und daher nicht haltbare Beobachtung ist. Aber auch dass, sollen lieber andere beurteilen.